Samstag, 24. Januar 2009
 
U-Haft: Die Panne hat Methode PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Bernhard Redl, akin   
Dienstag, 2. September 2008

Vom Glück, im richtigen Moment inhaftiert zu sein - unsere Justiz wird immer polizeinäher, daran konnte auch die vielgelobte StPO-Reform nichts ändern, meint Bernhard Redl.

Die Geschichte von jenem Tunesier, der wochenlang in U-Haft gesessen ist, obwohl eigentlich aus dem Akt ersichtlich war, daß er die ihm vorgeworfene Tat nicht begangen haben kann, weil er eben wegen eines anderen Delikts gerade einsaß, ging breit durch die Medien. "Justizpanne" war das Wort, das sich in den Kommentaren durchsetzte. Zu Recht wurde diese Panne irgendwo zwischen peinlich und Skandal eingereiht -- nicht nur von den üblichen Verdächtigen, sondern sogar von der FPÖ, die ja nicht gerade als Verteidigerin der Menschenrechte von Ausländern zu Berühmtheit gelangt ist.

Pikant ist diese Geschichte vor allem, weil seit 1.Jänner eine grundlegende Reform der Strafprozeßordnung in Kraft ist, die Beschuldigten schon bei der ersten Einvernahme einen Anwalt zugesteht. Damit war -- gegen den Widerstand der Polizei -- ein menschenrechtlicher Mißstand behoben worden, der schon seit Jahrzehnten von Anwälten und Menschenrechtsorganisationen beklagt worden war. Und die Polizei ist seit dieser Reform verpflichtet, Beschuldigte über ihre Rechte aufzuklären -- genauso wie über die Tatsache, daß derzeit ein Versuchsprojekt läuft, bei dem ein anwaltlicher Notdienst kostenlos zur Verfügung steht. Nur: Die Polizei hält sich nicht an diese Pflicht zur Rechtsinformation, da die Versäumnis dieser Verpflichtung (im Gegensatz zu den USA, von wo man das ja aus den Krimis kennt) keinerlei Konsequenzen nach sich zieht. Weder gibt es dienstrechtliche Konsequenzen für die Beamten noch irgendwelche Folgen für das Verfahren.

Ein weiterer Punkt ist, daß Beschuldigte, die von ihrem Recht auf einen Anwalt wissen, sich oft einfach vor den Kosten für diesen fürchten. Denn zum einen gibt es diesen Gratis-Notdienst erst seit 2 Monaten -- und möglicherweise läuft dieses Projekt Ende Oktober ohne Nachfolge aus --, zum anderen kostet eine darüber hinausgehende anwaltliche Vertretung auf alle Fälle ziemlich viel Geld. Selbst bei einem Freispruch wird der Anwalt des Beschuldigten nicht vom Gericht bezahlt, sondern vom Beschuldigten, der dann vom Gericht einen Kostenersatz verlangen kann, welcher aber im Regelfall die Kosten einer seriösen Vertretung nicht annähernd deckt. Der Beschuldigte wird de facto auf alle Fälle bestraft.

Noch etwas fällt auf in der Causa um den angeblichen Drogendealer. In diesem Fall ist es nämlich tatsächlich relevant, seine Nationalität zu erwähnen. Der Tunesier war verhaftet worden, weil ihn ein 16-Jähriger als Täter auf einem Polizeiphoto erkannt haben wollte -- ein willkommener Täter für die Polizei. Bei der Gegenüberstellung vor Gericht beharrte der Junge auf seiner Aussage, bis man ihn darüber belehrte, daß der Beschuldigte gar nicht der Täter gewesen sein könne. Warum war sich der Junge so sicher? Weil alle Südländer gleich aussehen? Weil die Polizei ihn eingeschüchtert und er Angst hatte, sein Aussage zu revidieren? Egal, aber man kann davon ausgehen, daß der Beschuldigte verurteilt worden wäre, wenn er nicht dieses bombenfeste Alibi gehabt hätte. Jetzt stellt sich die Frage: Wieviele Menschen südländischer Herkunft, deren Rechte generell nicht sonderlich oft gewahrt bleiben, sitzen auf Grund einer derart schwammigen Beweislage in unseren Gefängnissen? Einmal abgesehen davon, daß natürlich auch immer wieder die Frage gestellt werden muß, ob unsere Gesellschaft überhaupt Gefängnisse braucht; auch abgesehen davon, daß in der konkreten Causa dem Beschuldigten das anscheinend beinahe todeswürdige Verbrechen der Weitergabe von Cannabis vorgeworfen worden war, was einer gewissen Lächerlichkeit nicht entbehrt -- wenn man das alles wegläßt, bleibt immer noch eine bürgerliche Justiz zurück, die vom Beschuldigten verlangt, daß er seine Unschuld beweisen muß -- eine Auffassung der Rechtssprechung, wie sie auf theoretischer Ebene bereits im Mittelalter verworfen worden war.

Diese Justiz kann viel mit Überarbeitung und Personalmangel rechtfertigen, aber für Fälle wie diesen oder den "Islamistenprozeß" oder das Aus-den-Fingern-saugen einer Anklage wegen "Krimineller Organisation" von Tierrechtsaktivisten muß sie sich schon eine bessere Ausrede einfallen lassen.

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